Jahrhundertbohrung für die Versorgung

400 Meter Bohrung, vier Baustellen und zwei Jahre Planungszeit: Die LeineNetz hat in einem Mammutprojekt Teile der Neustädter Versorgungsleitungen erweitert. Die neuen Leitungen führen nun sowohl unter der Bundesstraße 6 als auch der Leine durch. Nun lässt die LeineNetz Gras über die Sache wachsen.

Sonja Höfter | 3. Nov. 2021
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Günter Beermann ist Teamleiter Netzbetrieb Gas, Wasser und Wärme bei der LeineNetz, der gemeinsamen Netztochter der Ideenstadtwerke und der Stadtwerke Garbsen, und hat die Aktion von A bis Z begleitet. Seit mehr als 35 Jahren sorgt er schon dafür, dass Trinkwasser, Wärme und Gas bei den Neustädter*innen ankommen. Aber so ein Mammutprojekt gehört auch für ihn nicht zum Tagesgeschäft. „Etwas von dem Planungsumfang und dem Ausmaß erlebt man nur ein, vielleicht zweimal im Berufsleben“, erzählt er nicht ohne Stolz. 

Zwei Gründe gibt es, um das bestehende Netz der Versorgungsleitungen anzufassen: Sanieren oder Erweitern. Bei diesem Projekt ist es Zweiteres. Für den Neubau des Bundesforschungsinstituts für Tiergesundheit in Mecklenhorst braucht es viel Power. Deshalb verlegt die LeineNetz zwei Leitungen parallel: eine Wasser- und eine Mittelspannungsleitung mit 20 Kilovolt. Die bindet normalerweise mehrere Ortschaften oder einen Stadtteil an – in diesem Fall ein großes Forschungsinstitut. Nördlich des Leinebogens verbinden die neuen Abschnitte den westlichen Teil von Neustadt ab der Wunstorfer Straße mit Mecklenhorst. Das Wasser kommt von den Harzwasserwerken aus dem Harz, der Strom fließt aus dem Neustädter Umspannwerk in der Wunstorfer Straße.

 

 

Besondere Gerätschaften für besonderen Einsatz

Der Baugrund könnte nicht anspruchsvoller sein: Sowohl die Leine als auch die B6 stellen sich dem Bautrupp in den Weg. Die Lösung ist das sogenannte Spülbohrverfahren. Dabei verdrängt ein steuerbarer Bohrkopf den Untergrund entlang der geplanten Trasse, Wasser befördert dabei Schlamm und Geröll an die Oberfläche. Der Fahrzeugführer der fahrbaren Bohrmaschine peilt einen Winkel von 25 Grad an. Stück für Stück schiebt sich der lange Bohrkopf in den Untergrund – am Ende sechs Meter unter dem Flussbett der Leine durch. 

Jeder Zentimeter wird per Funk von einem zweiten Experten am anderen Flussufer überwacht, fast schon mit chirurgischer Akribie. „Wenn wir auf Felsen stoßen, braucht der Bohrkopf für eine Strecke von nur zwei Metern auch mal gut und gerne drei Stunden,“ erzählt LeineNetz-Teamleiter Beermann, der mindestens einmal am Tag auf der Baustelle vorbeischaut. „Ein schöner Nebeneffekt: Solche Baufahrzeuge sieht man auch nicht alle Tage“, verrät er. 

Sobald der Bohrkopf am anderen Ufer ans Tageslicht stößt, kommt ein weiteres Spezial-Verfahren zum Einsatz: das Relining. Beim Zurückziehen des Bohraufsatzes wird der Tunnel durch einen Aufweitkopf vergrößert und gleichzeitig zieht der Bohrer ein 20 Zentimeter dickes Kunststoffrohr, in das später die Leitungen kommen, in die frische Trasse ein. Der Zugring hält dabei eine Last von 4600 Kilogramm aus. So vielwiegt sonst nur ein leerer Überseecontainer oder ein indischer Elefant. „Die Maßnahme ist in einigen Gebieten alternativlos, da keine offenen Gräben benötigt werden. Allerdings wären die bei den Autofahrer*innen auf der B6 auch nicht auf große Gegenliebe gestoßen“, meint der Netzmeister schmunzelnd.

Trinkwasser aus der Leitung: Ein kostbares Gut

„Wenn dann in der Endphase der neue Rohrabschnitt an das bestehende Versorgungsnetz angeschlossen

wird, ist Fingerspitzengefühl gefragt“, erklärt Beermann. „Für diese anspruchsvolle Aufgabe braucht man ausgebildete Anlagenbauer*innen mit Schweißer*innenausbildung und einer Sonderschulung für Trinkwasserleitungen.“ Und das zurecht: Kaum ein Lebensmittel unterliegt in Deutschland so strengen Kontrollen wie das Leitungswasser. Damit höchste Qualitätsansprüche gesichert sind, überprüft die LeineNetz ihr rund 230 Kilometer langes Wasserleitungsnetz in Neustadt engmaschig. Rund zehn Wasserproben entnimmt das Team von Beermann mit einem zertifizierten Mitarbeiter der Laborunion monatlich. Dort werden sie auf mikrobiologische und chemische Bestandteile hin untersucht. Bevor das Wasser durch die neue Leitung unter der Leine zu den Bürger*innen fließen darf, wird sie so oft durchgespült und desinfiziert, bis Trinkwasserqualität erreicht ist. Nach jeder Baumaßnahme entnehmen die Verantwortlichen gesonderte Proben. Keine glanzvolle, aber dafür eine umso wichtigere Aufgabe – schließlich verbrauchen durchschnittliche Neustädter*innen fürs Wäschewaschen, Duschen und Co. jeden Tag rund 125 Liter Wasser. Ein echtes Lebenselixier eben

Und nun?

Der erste Bauabschnitt ist mit der zweifachen Unterbohrung auf jeweils 200 Metern von Leine und B6 geschafft. Läuft alles weiterhin nach Plan, transportieren die Leitungen Ende 2022 Energie zu den Verbraucher*innen. Schließlich füllen die Tiefbauer die Gräben für die Anschlusstrassen auf beiden Seiten der Leine und B6 wieder mit Erde auf und säen neue Wiese aus. Wenn dann Gras über die Sache gewachsen ist, ist das Jahrhundertprojekt nur noch auf den Netzkarten sichtbar.

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Sonja kümmert sich um die Social-Media-Kanäle und das Marketing der Ideenstadtwerke.

 

12

Kilometer lang ist die Leitung

2

Jahre Planung

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